SFB 1671 Heimat(en)

Der Sonderforschungsbereich beschreibt und sucht zu verstehen, warum und wie Heimat einen selbstverständlichen Teil unseres menschlichen Weltverhältnisses einnimmt. Dazu wird die Vielfalt und die Dimensionen von Heimat ergründet und modelltheoretisch in historisch und global vergleichender Perspektive analysiert.

Unser Teilprojekt C04 Visuelle Chiffren von Heimat in Bildender Kunst, Literatur und Film untersucht populäre Formen und Formate Bildender Kunst, Literatur und Film ab dem 19. Jahrhundert aus der Perspektive intermedialer Heimat-Chiffren.

Auf besonders anschauliche Weise prägen Bilder populäre Vorstellungen davon, wie das, was man sich landläufig unter ‚Heimat(en)‘ vorstellt, aussehen kann, was scheinbar dazu gehört und was nicht. Daher ist es wichtig, zu verstehen, mit welch unterschiedlichen visuellen Chiffren Heimat jeweils vermittelt wird, also zu wissen, woher diese Bilder kommen, wie sie funktionieren und wie sie sich im Laufe der Moderne verändern. Gemeinsam mit Prof. Dr. Henry Keazor und Prof. Dr. Daniel Winkler leite ich dieses Teilprojekt.

Mein Teilunterprojekt Heimatfilm? Eine Revision nimmt die visuelle Gestaltung des sogenannten Heimatfilms seit den 1950er Jahren genauer unter die Lupe. Es wird dabei der Vielschichtigkeit der Rezeptionen und Konstruktionen von Heimatbildern nachgegangen und damit gefragt, auf welche Vorbilder zurückgegriffen wird und welche Bilder wiederum generiert werden. Selbst Filme, die heute als Klassiker des Genres gelten, wie Schwarzwaldmädel (D, Hans Deppe, 1950) sind vielschichtiger angelegt, bisher jedoch keiner bildwissenschaftlichen Analyse unterzogen worden: So wird hier auf bekannte Vorbilder zurückgegriffen, deren klassische Lesart jedoch einen anderen Verlauf annehmen ließen, als es im Film der Fall ist, was zu Verwirrung beim Publikum führt. Derartige Irritationsmomente sind auch die zahlreichen surrealen Elemente sowie abstrakte Gestaltungselemente in der Tradition des experimentellen Films der 1920er-Jahre. Gleichzeitig erschwert die heterogene Bildwelt eine historische Verortung der Handlung und macht den Film ein Stück weit zeitlos. Die verhandelten Themen hingegen sind zeitlich rückzubinden und zeigen, dass auch dieser Film auf gesellschaftliche Belange reagiert.

Wenn Film ein Spiegel der Gesellschaft und ein bildliches Medium ist, dann führen die exemplarischen Beobachtungen an Schwarzwaldmädel zu der Frage, ob und wie bildstrategisch in späteren Filmen vorgegangen wird. Vermeintliche Anti-Heimatfilme, beispielsweise aus dem Bereich des sogenannten deutschen Autorenfilms, müssen sich bekannter Chiffren des Genres Heimatfilm bedienen, um ihre eigene Sicht auf die jeweiligen zeitgenössischen Themen darstellen zu können. Sie dienen daher gewissermaßen der Evaluation der aus dem klassischen Heimatfilm entstandenen und breitenwirksam rezipierten Bilder, aber auch der kritischen Überprüfung der bisher von der Forschung gezogenen Genregrenzen.

Der deutsche Heimatfilm entwickelt sich seit seiner Entstehung in den 1950er-Jahren weiter: Die Weitung der Genregrenzen wird vor allem Richtung Historienfilm gesehen, wie z. B. in Schlafes Bruder (D, Joseph Vilsmaier, 1995) oder Räuber Kneißl (D, Marcus H. Rosenmüller, 2008). Für das Unterprojekt sind die häufig anzutreffenden Polaritäten wie Fremde / Heimat, Ferne / Regionalität oder Sehnsucht / Realität von größerer Relevanz, da in ihnen aktuelle gesellschaftliche und politische Themen verhandelt werden und sie zugleich zur Modellierung von Heimat genutzt werden. Gerade jüngere Beispiele wie Hierankl (D, Hans Steinbichler, 2003) oder Baching (D, Matthias Kiefersauer, 2008) thematisieren Heimat auf vielschichtige Art und Weise und mit einer entsprechend heterogenen Bildwelt. Die Frage also, wie Heimat visuell in den populären Medien konstruiert wird, ist grundlegend.

Weitere Informationen zum Sonderforschungsbereich finden sich auf der Website, hier dann auch spezieller nochmal zum Teilprojekt mit allen Mitarbeitenden.